Welcher Luxus (in der Modebranche) hat Zukunft?

Die Rezession hat die Kauflaune vieler ernüchtern lassen. Damit schwand nicht nur das Interesse an Luxusprodukten, zusehends werden auch die Werte dieser hinterfragt. Die astronomischen Preisanstiege der letzten Jahre rächen sich damit gerade in der Krise.

Eine Neudefinition von Luxus und dessen Begehrlichkeit ist im Gange.

Nach Jahren des Hypes hat die Rezession also auch den Luxusmarkt und seine größten Player erwischt. Wurde während der Pandemie noch eifrig von der Lockdown-Couch geordert, folgte mit der Wirtschaftsflaute die Schraube nach unten. Denn Luxus ist für die meisten Konsumierenden noch immer die Kirsche on top, die als Erstes dem Sparstift zum Opfer fällt, wenn die Lebenshaltungskosten steigen. Besonders in Zeiten des Mangels fragt man dann auch nach den wahren Werten der Produkte. Schließlich erkannten die Luxuskonzerne das Potenzial zur Gewinnmaximierung ihrer Statussymbole, für die viele Kunden bis in jüngster Vergangenheit hohe Preissteigerungen hinnahmen. Nach den besonderen Gesetzen des Marktes nahm die Begehrlichkeit für diese Produkte damit aber nicht ab. Im Gegenteil.

Als Beispiel kann man die Chanel 2.55 Flap Bag nennen, die pro Jahr zwischen 10 und 15 % teurer wurde. War sie 2014 noch für ca. 4.000 Euro zu haben, musste man 2024 bereits über 10.000 Euro berappen. Begründet wird dies von der Marke (auf Anfrage) mit gestiegenen Materialkosten. Dieses Argument ist natürlich nur ein Teil der Geschichte. Denn es war auch die hohe Nachfrage, die durch Social Media befeuert wurde, welche den Exklusivitätsanspruch vieler dieser Produkte (nicht nur bei Chanel) aufwarf. Wer fühlt sich schließlich noch Teil eines exklusiven Klubs, wenn die gleiche Tasche überall zu sehen ist? Nicht der Mensch, als streng hierarchisch getuntes Herdentier.

Hat Hermès von Anfang an für seine Birkin Bag auf ein (absurdes) Wartelistenspiel mit seiner Kund-schaft für seine Birkin Bag gesetzt, entschieden sich andere, wie Chanel, für Preissteigerungen als Schutzmantel, um die Exklusivität zu bewahren. Dieser wurden jedoch auf das gesamte Sortiment ausgeweitet, was sich jetzt als Bumerang heraus-stellt. Denn die Branche kennt weder das Wort Sale noch Preisnachlässe und kann damit nicht bei der Kundschaft punkten. In diesem Dilemma müssen „Luxusmarken in Bezug auf Kreativität, Qualität und Preisgestaltung aktiv werden“, schrieb Luca Solca für Business of Fashion erst im November 2024.

hermes herbag
Luxustaschen, wie die Hermès Herbag oder die Christian Dior Book Tote sind mittlerweile Status-Tokens geworden. Doch wie lange werden Konsument:innen noch in diesen Breitengraden sich diese noch leisten können?

Die Sache mit der Preisgestaltung ist allerdings ohne Qualitätskompromisse nicht so einfach, denn die imagebildenden Inszenierungen durch Fashion Shows, Content-Produktionen mit Hollywood-Budgets sowie das Engagement von Testimonials kosten. Gespart wird oft am Produkt. Wie dies – im Extremfall – aussehen kann, erfuhr man in diesem Jahr am Beispiel von Dior. Ein italienisches Gericht stellte einen Subauftragnehmer der französischen Marke unter Aufsicht, weil grobe arbeitsrechtliche Verstöße in dessen Fabriken festgestellt wurden. So wurden illegal arbeitende, chinesische Näher:innen in der Fabrik unweit von Mailand angetroffen, die an ihren Plätzen schlafen mussten. Gearbeitet wurde rund um die Uhr, wie die Auswertungen der Stromzähler ergaben.

Quiet Luxury Valextra
Quiet Luxury Taschenmarken, wie Valextra, werden bei Konsument:innen, die auf hochwertige Verarbeitung wert legen, immer beliebter. Vor allem, da viele Luxusbrands mittlerweile mit einer hohen Superfake-Dichte auf den Straßen vertreten ist, möchten viele sich nicht mit der Logo-Inflation assoziiert wissen.

Das Argument mit „fair produziert, weil Luxusprodukt“, bekam damit einen weiteren Kratzer und das begehrte „Made in Italy“ ebenfalls.

Es sind aber mehrere Parameter, die in den letzten Jahren zusammenkamen und 2024 den perfekten Sturm auslösten. Da wäre zum einen das Abflauen des Wirtschaftswachstums in China. Jahrelang war das Reich der Mitte Zentrum der Expansionen vieler Marken und galt über ein Jahrzehnt als größter Wachstumsmarkt der Luxusbranche, der auf eine nach europäischen Status-symbolen hungrige, aufstrebende Oberschicht stieß. Dass es damit jetzt erst einmal vorbei ist, drückte auf die Aktienkurse.

Alleine im 3. Quartal des heurigen Jahres verzeichnete LVMH (Louis Vuitton Moët Hennessy) einen Umsatzrückgang von mehr als 5 %. Der Aktienkurs verlor knapp 20 %. Nach einer langen Zeit des Wachstums mit Rekordgewinnen wirkte dies wie eine kalte Dusche. Jedoch ist dies kein Einzelfall. Cartier (Zugpferd von Luxuskonglomerat Richemont) verlor gleich 27 % Umsatz in Asien. Auch Kering (mit u. a. Gucci, Bottega Veneta, Yves Saint Laurent) konnte keine Jubelmeldungen absetzen und verlor seit Jahresanfang 45 % an Börsenwert.

luxus rimowa
Rimowa gehört mittlerweile zum LVMH-Konzern, der gerade unter der Luxus-Krise leidet.

Einen Ausreißer stellt hier die Prada Group dar, die das Gravitationsfeld der Rezession mit einem Plus im zwei-stelligen Prozentbereich verließ. Der Reboot von Miu Miu, das nach den Nullerjahren an Anziehungskraft und Aufmerksamkeit verlor, gelang und wurde für die Gen Z mit einer neuen Marketing- und Designstrategie attraktiv. Ein Umsatzplus von 105% in einem Jahr spricht für sich.

Doch wie so vieles ist das Problem auch deshalb komplex, weil sich die Definition von Luxus in den letzten Jahrzehnten grundlegend veränderte. Waren Luxusartikel einst nur für die Elite zugänglich, ist die viel zitierte Demokratisierung der Mode per Social Media und Online-Handel mit einem darüber wachsenden Secondhand-Handel zum globalen Phänomen geworden.

Die Sortimente der größten Prestige-Marken wuchsen in den letzten Jahren rasant an und diversifizierten sich ins Unüberschaubare. Von Hundehalsbändern über Nagelfeilen, von Skibrillen bis zu Fahrrädern, Duftkerzen, Möbeln und sogar Spielzeug, kann das luxushungrige Herz sich eine Welt zimmern, die (meistens) per Logo verrät, was man sich alles leisten kann. Doch die quantitative Vielfalt stand in vielen Fällen nicht in Relation mit Qualität und den geforderten Preisen.

Erst vor zwei Jahren wurde als Gegengift der Trend Quiet Luxury bzw. Stealth Wealth als logofreies Feld für Ultrareiche und all jene, die sich das Schild sophisticated umhängen wollen, entdeckt. Es zeigt sich, dass man sich in Zeiten der Krise(n) und des plötzlich fehlenden disposable income der Mittelschicht, der von früher gewohnten Kundschaft wieder vermehrt wid-men möchte.

Das Spiel mit den VICs – den Very Important Clients

Das beweisen die neuesten Strategien für die Umwerbung von Very Important Clients (VICs), die sich nicht am Eingang eines Flagshipstores anstellen (wollen). Um sie kümmern sich eigene Abteilungen und Sales Personal. Damit setzt man auf Markenbindung durch individualisierte Erlebnisse, um die Loyalität der wohlhabendsten Kundschaft zu sichern.

luxus
Wer kann die „Very Important Clients“ an Bord holen? Die High-net-worth Klientel wird von Luxusmarken umgarnt wie selten zuvor – und sie verlangt auch zusehends mehr Experiences, um bei einer Marke viel Geld zu lassen.

So eröffnete Gucci in Los Angeles den „Gucci Salon“, der für Ausgewählte nach Terminvereinbarung zugänglich ist und die luxuriösesten Kollektionen in einem einzigartigen, maßgeschneiderten Rahmen präsentiert. Auch Luxus-Retailer wie Mytheresa intensivierten ihre Bemühungen, veranstalten exklusive Abendessen mit den Kreativ-Stars, wie Aquazurra in der Villa Astor in Sorrent, sowie extravagante Fashion Shows im kleinen Kreis. Damit werden auch Trunk Shows in High-end Department Stores für viele wieder wichtiger. Die persönliche Verbindung währt schließlich immer noch am längsten und kann durch keine Hotline und keinen Social-Media-Kanal abgelöst werden.

Darüber hinausgehend, versucht man Maßgeschneidertes auf die nächste Stufe zu heben: Tiffany & Co. lässt seine VICs Schmuckstücke vom hauseigenen Kreativteam entwerfen und Louis Vuittons Chef-Parfümeur Jacques Cavallier-Belletrude empfängt die Top 1 % Klientel in der Duft-Hauptstadt Grasse, die von ihm ein „made to measure“ Parfüm nach aufwendigem Personalisierungsprozess angefertigt bekommen.

„Die Top 1 % sind heute fordernder denn je. Sie wollen mehr von allem. Vor allem Experiences, die allumfassender sind, als nur Produkte zu kaufen. Das zahlt sich nur aus, wenn der Konsumierende im Gegenzug auch über einen langen Zeitraum bereit ist auszugeben.“

Michael kliger, ceo von mytheresa (Quelle: Business of Fashion)

Welche Kund:innen in diese Gruppe fallen und wie sie erreicht werden können, gehört mittlerweile zu den wesentlichen Betriebsgeheimnissen der Marken.

Die Rückbesinnung auf die gesellschaftliche Elite mit einer gänzlich anderen Zielgruppenansprache soll der Begehrlichkeit den Reset-Button für mehr Exklusivität bringen und den Kauf von Luxusgütern damit nicht nur als Transaktion vermitteln, sondern als Erlebnis, das Kund:innen wieder in den Mittelpunkt stellt.

Mittels Gästeliste bewahren Marken auch die Kontrolle über die Auswahl der Personen, mit denen sie assoziiert werden (wollen) und damit auch das über sie transportierte Image. Denn dies ist über den viel-schichtigen Vertrieb von Produkten nicht mehr vollends gegeben. Verlässt ein Produkt einmal das Haus, kann der Kontext seiner Visibilität nicht mehr kontrolliert werden. Ebenso stellt sich die Frage: Was ist echt?

Denn die steigende Zahl von Superfakes, die Originale nur mehr schwer unterscheidbar machen, sind ein weiteres Problem der Branche, die sich ein für alle Mal die Frage stellen muss:

Was ist die Zukunft des Luxusmarkts? Und:Wie werden neue Generationen Luxus definieren?

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