„Was ich bei Palmers anders machen würde.“

Das Mode- und Unterwäsche-Unternehmen Palmers steht mit 51 Millionen Euro in der Kreide und hat in den letzten Tagen Insolvenz angemeldet. Davon sind über 500 Mitarbeiter:innen betroffen.

Was ist bei Palmers in den letzten Jahren schiefgelaufen, dass ein Unternehmen, das in Österreich ein solches Vertrauen und eine starke Markenpräsenz genoss, so marode geworden ist?

Antwort 1: Wohin des Weges?

Das ging definitiv nicht von heute auf morgen, sondern hat sich in den letzten Jahren durch viele Führungs- und Strategiewechsel angebahnt.

Zum einen kann man in der heutigen Zeit nicht mehr ein Unterwäsche-Unternehmen führen, das erst einen krassen „male gaze“ transportiert und in der allerletzten Sekunde dann noch mit einer Diversity-Kampagne versucht, das Ruder herumzureißen.

Zu spät. Die Gen Z und Millennials kaufen trotzdem woanders, und die Boomer haben es größtenteils nicht verstanden und reagierten mit den wüstesten Beschwerden. Wer hätte das gedacht …?

Antwort 2: Palmers-Heritage – Wo ist sie?

Das soll jetzt keine Geschichtsstunde werden (obwohl ich Historikerin bin und sie liebe), aber wir MÜSSEN von vorne anfangen! Sonst bleibt das Verständnis, wie es soweit kommen konnte, auf der Strecke. Aber es wird spannend – versprochen!

Palmers wurde 1914 aus eine Stoffreste Geschäft gegründet und begann mit Strümpfen zu handeln. Das war ein Goldgriff. Denn nach dem Krieg waren Nylons absolute Luxusprodukte, weil sie rationiert waren.

Frauen malten sich damals sogar die Beine mit dunklem Make-Up und einem Strich auf der Rückseite der Beine an (!) um den Eindruck zu erwecken, sie trügen die begehrte „zweite Haut“. Im Gegensatz zu heute, wurden Strümpfe, wenn sie Laufmaschen bekamen, mit der Hand gestopft, um sie weiter verwenden zu können.
Diese Begehrlichkeit hat Palmers für sich zu nutze gewusst und begonnen das in Werbe-Sujets zu transportieren.

In den 90ern war dann der Höhepunkt erreicht. Kampagnen von Herb Ritts und Elfie Semotan, Cindy Crawford oder einer jungen Naomi Campbell waren Stadtgespräche.

Doch die Vorreiter-Rolle in Sachen Fingerspitzengefühl und Sexyness war irgendwann vorüber. Dann begann die Marken-Kommunikation dahin zu dümpeln.

Der Tiefpunkt war erreicht, als man eine Kampagne lancierte, die an Menschenhandel (kein Scherz) erinnert und vom damaligen CEO Marc Wieser gefeiert wurde, der auch noch dazu meinte: „… wir zeigen die besondere Rolle der Frau, die mit ,Mutter Natur‘ assoziiert Gleichgewicht in unser geordnetes Chaos bringt.“

Bitte wie?! Was hat das mit ausgemergelten Frauen in einem Schlachthof zu tun?

Einen Shitstorm hatte Palmers damals sondergleichen.

Aber warum erzähle ich das alles?

Es ist notwendig, um zu verstehen, wie sich in den letzten Jahrzehnten Palmers immer mehr von seinen Kund:innen, (die eigentlich nur qualitätsvolle Strümpfe und Unterwäsche kaufen wollten), entfernte.

„Wenn man nichts zu sagen hat, soll man besser nichts sagen.“ Ein altes Sprichwort, das auch im Marketing Goldwert ist.

Das Standing von Palmers als Marke, die Begehrlichkeiten transportierte und „etwas Besonderes“ war, wie es auch die berühmten Palmers Münzen als Gutscheine dafür ausdrückten, ist verschwunden. Damit auch der Wert ihrer grünen Währung, die Dank Insolvenzantrag keinen Gegenwert mehr darstellen.

„Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten“

Helmut Kohl

Was der deutsche Bundeskanzler a.D. 1995 in einer Rede ausdrückte, gilt auch für Unternehmen.

Das wissen Marken wie Chanel, Dior, Louis Vuitton, etc. und verbinden mit jedem Produkt ihre Geschichte und zelebrieren diese, um an ihre Wurzeln anzuknüpfen, diese neu zu interpretieren und daraus alte und neue Kund:innen anzusprechen.

Merkte man das bei Palmers? Eher nicht.

Palmers 2025
Foto: Ron Lach

Der oben erwähnte Ex-Palmers-CEO Marc Wieser sagte sogar in einem Interview mit dem Kurier: „Die Tradition ist eine Altlast“. Im Nachhinein kann man bei seinen Aussagen im gleichen Interview, wie etwa: „Wir arbeiten nicht mehr mit Externen zusammen, die uns erzählen, was wir zu tun haben“, nur den Kopf schütteln.
Vielleicht hätte man besser Frauen auf der Straße fragen sollen, wie sie die Sujets finden, bevor man eine Kampagne druckt und dann wieder einstampft, die nur negative Assoziationen weckt.

Palmers
Foto: Ron Lach

Dazu kam ein zunehmend aalglatter Ladenbau, der nach jedem beliebigen Store aussah, den es bis dahin schon bei Calzedonia, Intimissimi, etc. gab. Hallo? Wo ist die eigene Identität?

Antwort: Im Kellerabteil.
Offensichtlich.

Da Palmers seine Wurzeln im Marketing stark beiseite schob und es definitiv nicht schaffte, den Turnaround zu einer Hype-Marke zu vollziehen (was sowohl von internen als auch externen Faktoren bestimmt wurde), landete das Unternehmen im Niemandsland – und schließlich in einer Sackgasse namens „Insolvenz“.

Antwort 3: Was kann man ändern?

Wenn ihr euch bis jetzt durchgearbeitet habt, möchte ich euch gratulieren. Es gibt noch viel mehr zu sagen. Dinge, die mir in den letzten Jahren von Ex-Mitarbeiter:innen zugetragen wurden, aber die möchte ich hier nicht erwähnen, denn a) tut es nichts mehr zur Sache, weil es vorbei ist und b) ist jammern keine Strategie.

Zu meinen Vorschlägen habe ich ein Reel auf Instagram veröffentlicht, das viele Nachrichten und Kommentare bekam, deswegen möchte ich es hier noch einmal aufrollen.

A. Das Sortiment auf das Wesentliche schrumpfen

Sich auf das Wesentliche konzentrieren, um zurück zur Heritage-Geschichte – den Strümpfen und Socken – zu kommen und hochqualitative Basics zu führen, die seltener Trends unterworfen sind, die man aber immer weniger bekommt!

Dabei auf die altbekannte und gewohnte Palmers-Qualität fokussieren. Das ganze positiv und humorvoll kommunizieren. Strümpfe?

  1. Strümpfe und hochwertige Basics hat man früher mit Palmers assoziiert.
  2. Strümpfe sind (leider) Wegwerfartikel, die öfter gekauft werden, als ein Pyjama oder ein Bademantel.
  3. Sie brauchen wenig Platz in einem Store und können so auf einer kleinen Fläche verkauft werden. Je kleiner ein Produkt ist, desto besser die Gewinnmarke (deswegen sind Parfüms für Modemarken so wichtig: sie verbrauchen wenig Platz)
  4. Egal ob Nude oder Schwarz: Strumpfhosen haben fast immer Saisonalität und sind weniger Trends unterworfen. Ja, Trendfarben bzw. -muster gibt es immer, aber was will man eigentlich in 99% aller Fälle? Richtig: Eine schwarze bzw. hautfarbene Strumpfhose, die nicht nach dem 1. Mal tragen eine Laufmasche hat.
    It is not that complicated.

B. Flagshipstores mit Brand Identity

Was erinnert an Palmers? Wie kann man damit spielen? Wie kann man auch die ältere demographische Zielgruppe wieder zurückgewinnen ohne altbacken zu wirken?

Man muss auch nicht als Flagship-Store groß sein, um aufzufallen.
  1. Ähnlich wie die Kaffeehauskette AIDA, die erfolgreich und bewusst auf den Retro-Stil setzt. Diesen hochwertig und minimalistisch einbeziehen. Es kommt nicht von ungefähr, dass gerade jetzt die Mid-century Möbel zu den neuen Klassikern werden: Sie überfrachten nicht, setzen aber auf modernes Design. Und das gilt es auch auf einen Ladenbau zu übertragen.
    Denn alle haben in ihrem Leben Chaos, sie sollen sich nicht auch noch durch einen textilen Gemischtwarenladen kämpfen, um Strumpfhosen und Socken finden zu müssen. Wer heute simple, smoothe und effektive Lösungen bietet, gewinnt.
  2. Beim Ladenbau sich auch von anderen Branchen inspirieren lassen und nicht anderen Modeketten hinterher fiebern. Damit macht man das Einkaufen zu einem neuen Erlebnis, weil man eben anders ist und nicht wie XY an der nächsten Ecke.
  3. Filialen schließen und wenige Flagships hochwertig ausrichten und prestigeträchtig (begehrlich) vermarkten.
  4. Online-Handel in den Fokus – alleine die jetzigen Suchergebnisse lassen darauf zurückschließen, dass man sich nicht mal um die XML-Sitemap beim bestehenden Webshop kümmert.

Es gibt genügend Marken, die ihr Hero-Produkt gut vermarkten und so sich ins Gedächtnis bringen für ETWAS ZU STEHEN. Da wären Happy Socks oder FALKE oder Newcomer wie Madmia. In Großbritannien ist es unter den Retailern Sockshop.

C. Dort sein, wo Bedarf ist – Vending Machines

Vending Machines haben in den letzten Jahren im Luxusbereich neue Bereiche erschlossen. Zum einen, ist es eine extrem niederschwellige Weise, seine Produkte anzubieten. Zum anderen fällt es auf, denn man assoziiert im europäischen Raum diese mit Snacks.

Doch es gibt zahlreiche, internationale Beispiele, wie man es auch anders machen kann.

  • Angefangen von Champagnermarke Moët & Chandon. Die Vending Machine kann man mittlerweile für (sehr viel Geld) in den USA bei Neiman Marcus kaufen
  • T-Shirt Marke Shirt Yourself
  • Coffee House Zapangi in Seoul („The iconic vending machine door probably attracting influencers, tourists and design lovers more than the coffee they serve.“ Soviel dazu)

Das WO ist natürlich auch immer eine Frage. Dabei gilt: Natürlich nicht „irgendwo“ auf der Straße, sondern in hochwertigen Locations, wo das Surrounding stimmt.

  • Flughäfen (VIP-Lounges und bei den Gates)
  • Design-Hotels mit einer jungen Zielgruppe
  • in Clubs (wo ja öfters mal beim Tanzen eine Strumpfhose draufgeht)
  • in Hauptstädten: Venues mit Events wie Bällen (Hofburg in Wien) – Frauen-WCs
  • und natürlich: am Opernball

Vending Machines sind dabei nicht nur ein Umsatzgenerator (die sehr wenig Personal brauchen), sondern können auch als Werbefläche begriffen werden.

Vor allem kann man weitere Produkte (neben den Strumpfhosen und Söckchen anbieten), die Personen an diesen Plätzen brauchen und sie dann gebrandet anbieten. Von Pflaster bis Lip Balm oder Silikon-Patches für scheuernde High Heels.

Da heute alle Vending Machines mit Karten-Terminals ausgestattet sind, braucht man nicht mehr nach Kleingeld kramen.

D. Die Kampagnen

Man kann es nie allen Recht machen. Belehren sollte man aber auch nicht. Weder damit „perfekte“ Models zu zeigen, noch mit politischen Statements. Wie wäre es einmal mit etwas, das 1. ästhetisch ist und 2. einfach unaufgeregt cool und trotzdem auffallend, um eine junge Zielgruppe anzusprechen?

  1. Analogfotografie
  2. Fokus auf die Strümpfe
  3. Styling, Styling, Styling

E. Kooperationen mit Kreativen und Designer:innen

Wir sind in einer Zeit gelandet, in der man glücklicherweise kollaboriert. Strümpfe als Leinwand zu sehen, die limitiert erhältlich ist und damit zu einem Sammelobjekt werden kann? Why not.

F. Strumpf-Abo

Wie oben erwähnt Strümpfe und Socken braucht man mehr als viele andere Modeprodukte. Es gibt schon in einigen Ländern ein Abo, wo man nicht mehr an den Socken- oder Strumpfhosen-Kauf denken muss. Man bekommt alles, was man jeden Tag anzieht, nach Hause geschickt und rennt nicht mehr mit einer Laufmasche in den Job.

G. Die Zukunft liegt …

Es kommt immer gut an, wenn sich Unternehmen und Marken für den Nachwuchs engagieren. Gleichzeitig kann man dabei auch wichtige Erfahrungen sammeln und Produkte auf ihre Qualität testen.

Wie man die Marke Palmers mit der österreichischen Tradition verbinden könnte und gleichzeitig den Nachwuchs von Morgen fördern?

Wie wäre es mit einer Kollaboration mit einer Ballettklasse einer Oper? Hier werden Strümpfe täglich unter den härtesten Bedingungen getestet. Dazu kann man dem Nachwuchs (und Eltern) auch noch etwas von den Kosten abnehmen, die sie sonst für die Strumpfhosen selber tragen müssen.

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