The Irish Way: 3 Modetalente aus Irland
Die Mode der Smaragdinsel zeichnet sich seit jeher durch ihre Experimentierfreudigkeit aus, die gepaart mit Raffinesse und Heritage die Modelandschaft Europas bereichert. Derzeitige Gallionsfigur: J.W. Anderson, der mit seiner Position als Kreativdirektor des spanischen Modehauses LOEWE Erfolge feiert.
Irlands Modepanorama zeichnet sich bemerkenswert oft durch das Durchblitzen von Tradition sowie Einbindung keltischer Symbolik und Folklore aus.
Dieser Artikel erschien erstmals im November 2023 in der 1. Ausgabe des EntreNous-Magazins.
Simone Rocha – Die bekannteste Designerin Irlands
Eine Verschmelzung mit der Romantik, gepaart mit einer feministischen Perspektive, ist die Handschrift Simone Rochas. 1986 in Dublin geboren, hat sich Rocha als Tochter des Designers John Rocha mit ihrer kreativen Vision gleich nach ihrem Studium am National College of Art and Design in Dublin, sowie am Central Saint Martins, einen Namen gemacht. 2010 erblickte ihr Label das Licht der Welt, zeigte sie ihre Graduate Collection doch gleich in der Tate. Seither gehört ihre Marke zu den Highlights der London Fashion Week.
Die in Rochas Kollektionen auftauchenden femininen Elemente, wie Rüschen, Tüll, Blumen-motive oder gigantische (unechte) Mother of Pearls, würden fast schon kitschig wirken, wenn Rocha ihre eigene Operette nicht mit pointiert schiefen Tönen stören würde.
Diese kommen dann in Form von untypischer Materialwahl, eigenwillig überproportionierten oder sogar punkigen Elementen daher. Die Rocha’schen Themen (Identität, Heritage, Self-Empowerment) werden wiederum in aufwändigen Fashion Shows und Präsentationen zu Gesamtkunstwerken.
Simone Rocha – Spring Summer 2024
Das Kleeblatt als irisches Nationalsymbol findet sich in der Spring/Summer 2024 Kollektion namens ‘The Dress Rehersal’, die mit vielen “bräutlichen” Details die eine oder andere Zeremonie im nächsten Jahr bestimmt beeinflussen wird.
Ein Wink mit dem Zaunpfahl war dabei eine Clutch in Form einer Hochzeitstorte, die bestimmt noch in dem einen oder anderen Serienkontext erscheinen wird. In ihrer Kollektion verwies Rocha auch auf die Little Arch of Kilbaha, eine katholische Kirche auf Rädern, die im 19. Jahrhundert während der protestantischen Herrschaft gebaut wurde.
Hier treffen auch die typischen Rocha-Elemente auf einen Kitsch-Endgegner. Dieses Mal: Crocs.
JW Anderson – Mode-Wunderkind aus Irland
Magherafelt. Ein kleines Städtchen in der nordirischen Idylle mit 10.000 Bewohner:innen ist Heimat von Jonathan Anderson, der wie kein anderer das Modespotlight seit 2008 auf die Smaragdinsel richtet und für eine neue Generation irischer Designer:innen steht. Darüber hinaus besetzt er eine der lukrativsten Positionen in der Modebranche: Er ist Creative Director des spanischen Modehauses LOEWE, das sich in 10 Jahren unter seiner Regentschaft zum Liebling von Modeafficionados und Influencer:innen wandelte.
“You take something poetic and take it under-ground”, sagte Anderson einst über seine Fall/Winter 2020 Kollektion, doch trifft dies auch auf seinen generellen Designstil zu. Nehmen wir die PIERCE BAG, die mit einem überdimensionalen – richtig geraten – Piercing ausgestattet, an die 90er Rave-Ästhetik erinnert und am schmalen Grat zwischen Eleganz und WTF-Moment wandelt.
Es wirkt dabei schon wie ein Zugeständnis an Miuccia Pradas Leitsatz: “Perfekte Schönheit ist langweilig.” In einer gefilterten Welt, wie der unseren, weiß Jonathan Anderson eben wo, er die “optische” Handbremse ziehen muss um gesehen zu werden. Der 38-jährige Designer ist für seine geschlechts-neutralen Schnitte bekannt, schickt männliche Models schon mal in Röhrentops und Rüschenshorts über den Laufsteg, und setzt so sehr geschickt seine Mode in Szene.
Wie sehr Anderson die Modewelt beeinflusst und mit seiner ganz eigenen Vision unterwandert ist dabei bemerkenswert. Das zeigt sich jedes Mal wenn der britische Designer eine neue Kollektion präsentiert. Da wäre beispielsweise die Sache mit einer Plastikstadttaube, die innen hohl, als Clutch getragen werden kann und auf den ersten Blick an geschmacksverirrte Gartendeko aus einem Billigladen erinnert. Doch es ist die verspielte Seite der Mode, die sich nicht ernst nimmt und ihre Abnehmer:innen findet.
Zum popkulturellen Moment von Carrie Bradshaw in And Just Like That gekrönt, bewies Jonathan Anderson wieder einmal sein Erfolgsgeheimnis. Doch Mode ist für den Designer nicht das Ende der Interessensfahnenstange. “Ich bin an allem das Menschen mit ihren Händen herstellen können fasziniert”, weiß er Modejournalist:innen mantraartig ins Notizbuch zu diktieren.
Dass er sein Metier dabei auch gerne wechselt, zeigt er oft. Wie beispielsweise 2023 als er in der Londoner Galerie Offer Waterman eine Ausstellung zum Thema ‘On Foot’ kuratierte, bei der seine Mode mit ausgewählten Kunstwerken zur Einheit verschmolz. Ein irrwitziges Mash-up, das sich aus Contemporary Art sowie Alten Meistern formierte. Und ja, natürlich war auch eine Stadttaube “anwesend”. Diesmal allerdings in gemalter Form.
Paul Costelloe – Das irische Mode-Urgestein
“Anna Wintour?! … I don’t think she knows I am still around … Sorry, Anna!”, scherzte der charmante Father of Irish Fashion bereits vor 8 Jahren in einem Interview. Das gilt heute immer noch. Mit 78 (“I always lie on my age and now I don’t know which age I really am”) ist er kein bisschen müde. Während andere lieber im Schaukelstuhl sitzen und die Pension genießen, düst Paul Costelloe in seinen blütenweißen Converse wie eh und je durch die Mode-Industrie (“Sundays are workdays for me.”).
Sinnbildlich könnte man für seinen Elan auch den sprintenden Fuchs sehen, der sein Logo ziert. Als Sohn in eine Dubliner Stofffabrikantenfamilie geboren, studierte er erst am National College of Art and Design seiner Heimatstadt, dann am renommierten École d’Chambre Syndicale de la Haute Couture in Paris und arbeitete anschließend “his way up” von New York bis Mailand in der Modeindustrie. 1979 gründete er seine Marke, die heute – von Mode bis Home Accessoires – in den verschiedensten Sparten operiert.
Ähnlich wie Guido Maria Kretschmer, der sein Business auf der (für viele Kreative zu trockenen) Corporate Wear aufbaut, erkannte auch Costelloe die finanzielle Macht der Uniformschneiderei und kleidete Konzerne, wie etwa British Airways, Delta Airlines und das irische Olympiateam, ein. Klingt nach einer “smoothen” Karriere?
War es für Costelloe aber absolut nicht. In Paris musste er sich seine Sporen hart verdienen, wie er erzählte. Ob er angekommen sei? “Erfolg” ist etwas, das er nicht kenne, denn dann hätte man sein Ziel erreicht. Als Perfektionist wäre das für ihn ohnehin nicht möglich, gab der Modeschöpfer einst zu Protokoll. Mit seiner Liebe für handgefertigte, luxuriöse Stoffe und Haute Couture, ist er seit Anfang an fixer Bestandteil des Show-Kalenders der London Fashion Week.
Bemerkenswert dabei sind auch die vielen jungen Fans des Designers, die sich zweimal jährlich vor dem Runway auf die Bänke quetschen. Vielleicht ist es gerade diese Vielfalt verschiedener Zielgruppen, die sich in unterschiedlichen Looks der Kollektionen wieder-finden und Paulo Costelloe so erfolgreich machen.
Während konservative Kunden unter anderem mit midi-langen Röcken und Kaschmir-Pullundern bedient werden (Costelloe kleidete Lady Diana und Queen Elizabeth II. ein), sind andere Looks, wie ein Daunenmantel, der sich auch in der Kollektion eines avantgardistischen Designer-Labels finden könnte, für ein ganz anderes Publikum bestimmt. Vielleicht wirkt der Designer mit diesem Mode-Potpourri manchmal auch aus der Zeit gefallen. Seinen kommerziellen Erfolg schwächt es dabei in keinster Weise.
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