Robert Piguet: Der Meister der Meister
Robert Piguet war der Mode-Star der 1930er Jahre, der mit raffinierter Schlichtheit den Zeitgeist einer Ära spiegelte. Nach seinem frühen Tod geriet er rasch in Vergessenheit. Als Entdecker von Christian Dior, Marc Bohan sowie Hubert de Givenchy lebt er jedoch in den Fußnoten der Modegeschichte ebenso weiter, wie als Parfüm-König mit revolutionären Werbekampagnen.
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1898 im schweizerischen Yverdon-les-Bains in eine wohlhabende Bankiersfamilie geboren, wollte Piguet nur mit den Zahlen des Maßbands seinen Alltag verbringen und nicht über Zahlenkolonnen brüten.
In jungen Jahren zog es ihn in die Mode-Metropole Paris, wo er 1933 inmitten wirtschaftlich karger Jahre sein Atelier eröffnete und binnen kürzester Zeit mit seinen „dünnen Anzügen“ und eleganten Tageskleidern, die „jung, modern und sehr amerikanisch wirkten“ bekannt wurde, wie Modehistorikerin Marie-France Pochna schrieb.
Die Anfänge des New Look mit seinen sleaken Silhouetten waren dem vorherrschenden Stoffmangel der wirtschaftlichen Krisen geschuldet, welcher die Herstellung von Couture spätestens ab der Nazi-Okkupation verunmöglichte. Piguet wusste allerdings mit der herrschenden Verknappung umzugehen, materialintensive Formen zu reduzieren und damit die neue Schlichtheit chic zu machen.
Sein Talent beschränkte sich jedoch nicht nur darauf, den Zeitgeist in diese Uniform zu stecken, sondern auch junge und noch unbekannte Modeschöpfer zu entdecken und für sein Atelier zu gewinnen. So stellte er 1938 einen gewissen Christian Dior als Modeliste an. Für diesen war es ein Sprungbrett; machte er so doch erstmals in Paris von sich reden.
Piguet bewies damit einmal mehr sein goldenes Händchen, denn nur wenig später wurde Diors Entwurf für Piguets Atelier (ein Kleid namens „Café Anglaise“) zum kommerziellen Erfolg. Zwar wurde die Zusammenarbeit durch den Einzug Christian Diors zum Militär unterbrochen, die wichtigsten Schritte, um nach dem Krieg an den Ruhm anzuknüpfen, waren allerdings für den späteren Vertreter des New Look bereits gesetzt.
Robert Piguet hat mich die Tugenden der Simplizität gelehrt, aus denen wahre Eleganz entstehen muss.“
christian dior über robert piguet
Doch dem Schweizer war die Welt der Mode nicht genug. War es für viele in dieser Zeit ein unerreich-barer Luxus Kleidung von einem Couturier zu kaufen, zapfte Piguet gekonnt die begehrte Aura seiner Marke an und entwickelte seine ersten Parfüms, die bis heute durch ihre schlichten Flakons an Aktualität nichts eingebüßt haben.
1944 kreierte Piguet mit der radikalen Parfümeurin Germaine Cellier sein erstes Parfüm, das auch durch seinen Namen dem herrschenden Angebot weit voraus war: Bandit. Der Blend aus exotischem Leder, Hölzern, Gewürzen und Moos, wurde trotz seiner Noten, die bis heute dem maskulinen Spektrum zugeschrieben werden, für Frauen konzipiert und gilt bei vielen Parfüm-Fans bis heute als einer der besten Chypre-Düfte. So bahnbrechend wie dieser, war auch die Bewerbung: Models wurden am Laufsteg zu Bankräuberinnen, die mit Pistolen Parfümflakons zerschlugen.
Ein Spektakel, das mit dem damals vorherrschenden Frauenbild der Damsel in Distress brach und für viele doch den Nerv der Zeit traf. Allen voran jenen der Pariserinnen. Ebenso radikal wie die Präsentation waren die Werbesujets, die in der Duftwelt einen Spagat zwischen Werbung und Kunst schlugen.
War das noch nicht avantgardistisch genug, dann war es definitiv der außergewöhnliche Kreativ-Prozess von Germaine Cellier, die an den Unterhosen von Models roch, um sich für den Duft inspirieren zu lassen. Die Kreation von Parfüms und dessen Marketing war von nun an die Passion Piguets. Bandit blieb kein One-Hit-Wonder, es war erst der Anfang. Fracas ist bis heute Piguets bekanntestes Parfüm, das 1948, wieder von Germaine Cellier komponiert und mit einer gewaltigen Ladung Tuberose ausgestattet, einen Gegenpol zu Bandit schuf. Sexy war auch die Inspirationsquelle dazu, die aus dem Film Lucrezia Borgia stammt. 1935 löste Schauspielerin Edwige Feuillère durch ihren Nacktauftritt darin einen Skandal aus.
Danach, dazwischen und davor gesellten sich noch weitere Kreationen mit Namen wie Visa (1945) oder Baghari (1950) hinzu, die den Ruf Piguets als Duft-Visionär mit Marketing-Talent und Gespür für Zeitgeist einzementierten.
Robert Piguet: Sein früher Tod und sein Erbe
Nach seinem frühen Tod 1953 – er wurde nur knapp 55 Jahre alt – gerieten sowohl er, als auch seine Marke in Vergessenheit. Die Zeiten, in der Markennamen durch die Integration in Konzerne für die Ewigkeit im Saft ihrer eigenen „Heritage” konserviert werden und darin weitergaren, waren noch in weiter Ferne. Der Name wurde erst viele Jahre später von Fashion Fragrances & Cosmetics Ltd. gekauft, die ihn seither für den Vertrieb nutzen und auch neue Düfte lancieren.
Seit Jahrzehnten sind Fracas und Bandit bereits am Markt und haben an Aktualität nichts eingebüßt. Die kompromisslosen Nuancen feiern vor allem beim gegenwärtigen Trend zu Nischendüften ein Comeback.
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