‚Quiet Luxury‘ und das 90er-Revival: Ein Zufall?
Nach Jahren der Logomania soll sich jetzt ein monumentaler Trendwandel abspielen. Anstatt sich in Stoff zu hüllen, das aussieht als würde es sich um modisches Wurstpapier handeln, gibt es jetzt die Alternative: Optische Stille. Warum das?
Warum hat sich ‚Quiet Luxury‘ in den letzten Monaten als Liebling der Modejournalist:innen entwickelt? Ist es der Mode-Merch vieler Marken, der redundante Produkte schafft, die nach dem scheinbar einzigen Prinzip funktionieren, dass Logo alles ist?
Ein Meta-Trend ist gerade im Gange, den es schon immer gab, jedoch jetzt wieder hinter dem Ofen hervorgeholt und neu etikettiert wird: Quiet Luxury.
Nach Jahren der Logomania soll sich jetzt ein monumentaler Trendwandel abspielen. Anstatt sich in Stoff zu hüllen, das aussieht als würde es sich um modisches Wurstpapier handeln, gibt es jetzt die Alternative: Optische Stille. Warum das?
Der Aufstieg von Social Media (allen voran Instagram, gegründet 2010) verstärkte die Anwesenheit von allem, das auf den ersten Blick erkennbar war.
In Zeiten in denen die Aufmerksamkeitsspanne durch Dauer-Scrolling jeden Goldfisch brachial unterbietet, haben Logos den Vorteil enorm schnell einen Konnex zu vertrauten Hierarchien herstellen zu können. Somit überträgt sich die Strahlkraft der Markenzeichen in Lichtgeschwindigkeit auf seine Träger:innen.
Logo? Logo! Denn was in China und anderswo an Fakes produziert und verkauft wird, übersteigt die Umsätze jener Luxus-Konzerne, welche die Designermarken besitzen. Ein Umstand, der nicht absurder sein könnte.
Dass die Logomania auch mit dem Einsetzen des ‚Quiet Luxury‘-Trends nicht stoppen wird, bezeugt das Milliardengeschäft mit der Nachfrage nach ‚Superfakes‘, die sogar geschulte Augen herausfordern, wie das „Time Magazine“ schreibt. Auch ein Blick auf eBay verrät, dass Taschen, die keine sofortige Markenzugehörigkeit garantieren, wesentlicher günstiger gehandelt werden, als solche, die sichtbare Logos aufweisen.
Wenn man mit Mode eine Haltung gegenüber gesellschaftlichen Zugehörigkeiten und Codes ausdrücken kann, so ist es auch mit Quiet Luxury, das den Gegenpol von Logo mit No-Logo manifestiert.
Dass sich die Welt von den Geissens oder die Kundschaft von Philipp Plein von diesem Trendwandel nicht angesprochen fühlt, ist klar. Doch der Rest des Modezirkus zieht und schaut erst einmal weiter und lässt das Pendel in die andere Richtung schwingen:
„Old money is the new shit“.
Quiet Luxury: Normcore für die Elite?
So sehr hat man sich seit „Sex and the City“ an überstylte Serien- oder Filmcharaktere gewöhnt, dass das Erscheinen der Serien-Sensation „Succession“ die authentische Darstellung von Mode in ultrareichen bzw. altreichen Kreisen einen Bruch in dieser Tradition darstellt.
Bewusstes aus- und weglassen von Product Placement, kann in diesen konsumüberladenen Zeiten eben auch auffallen. Gehen wir einen Schritt weiter und in die „Fashion Terminology for Nerds“, spricht man von „Stealth Fashion“. Die Kennzeichen zur Markenerkennung fehlen und werden – wenn überhaupt – nur von erkannt, wenn man in den gleichen Kreisen verkehrt und/oder sich intensiv damit auseinander setzt.
Eine weitere Facette, die ‚Quiet Luxury‘ mit sich bringt: Authentizität, die in einer Welt voller Logo-Schreierei eine stoische Ruhe mit sich bringt.
Taschen von Delvaux, Valextra, Mark Cross oder Benchley, Luca Falloni Hemden, Kaschmirpullis von Iris von Arnim oder Brunello Cucinelli, Hosen von Alexandre Vauthier, Loafers von Berluti – egal was man derzeit als Quiet Luxury bezeichnet – makellose Qualität, Passform, Unifarben und klassische Schnitte sind ihre Kennzeichen.
Dass ‚Quiet Luxury‘ in den USA bereits als Kennzeichen der WASPs (White anglo Saxon Protestant) gehandelt wird, kommt nicht von ungefähr, hat sich diese Schicht doch immer schon mit Mode-Stilen, insbesondere dem Preppy-Style der Ivy-League Colleges, abgrenzt. Tommy Hilfiger, GANT und Ralph Lauren verdanken schließlich diesem ihre Millionen.
Ob sich die Logos von den Polo-Hemden dieser Marken lösen? Höchstwahrscheinlich nicht, schließlich werden sie hauptsächlich von der Mittelschicht getragen, welche den affluent lifestyle der oberen Zehntausend imitieren möchte.
Quiet Luxury Inspirationen: Die Ikonen der 90er
Klingt doch alles „plain and simpel“, oder? Diese Form des Minimalismus kommt einem bekannt vor, wenn man sich die gerade grassierende 90er Welle vor Augen hält, wurde sie doch in jener Dekade populär als Helmut Lang zum globalen Mode-Star wurde und bis heute die Ready-to-Wear prägt. “What he did continues to influence fashion“, sagte Joanne Arbuckle, Studienleiterin von Kunst und Design beim New Yorker FIT erst 2015 zum „The Atlantic“.
Ann Demeulemeester, Jil Sander, Yohji Yamamoto, Giorgio Armani, Alaïa oder Narciso Rodriguez sind die Koriphäen der 90er Mode, die sie neben Helmut Lang prägten. Sie kreierten minimalistische „Rüstungen“. Dem Zeitgeist entsprechend, denn nach den 80ern startete the New Economy und für diese sollte man „gerüstet“ sein.
Mode-Ikonen der 90er Lady Diana, Carolyn Bessette-Kennedy, Sadé oder Winona Ryder. Bessette-Kennedy, Ehefrau des Kennedy-Clan Erben JFK Jr., gehörte spätestens seit ihrem Hochzeitskleid, das ihr bester Freund Narciso Rodriguez designte, zur internationalen Fashion Royalty.
Ein weißes, schlichtes Seidenkleid ohne Spitzenapplikationen, das man heute als Slip Dress in jedem Zara kaufen kann, galt 1996 vor dem Traualter als revolutionär. Rodriguez wurde über Nacht zum Liebling der New Yorker Modeindustrie, das Hochzeitskleid (bis heute) tausendfach kopiert. Der Designer vermarktet seinen Namen bis heute erfolgreich im Parfum-Sektor.
Während Stars in diesen Tagen nicht ohne die Hilfe von Stylist:innen aus dem Haus gehen und das Product Placement auf Paparazzi-Fotos und Instagram-Postings verkauft wird, war dies in den 90ern nicht einmal auf den Red Carpets der Oscars Normalzustand.
Und Logos? Die galten in den teureren Streetwear-Gefilden wie bei Calvin Klein oder Diesel als akzeptabel. Der Luxusbereich hielt sich hier sehr bedeckt.
Ungenierter lebt es sich hingegen heute. Vergleicht man etwa die Re-Edition der Gucci Bamboo Tote Bag, hat man das Logo zumindest auf einen Henkel-Strap gedruckt. Bei der alten Version, die noch Lady Di trug, ist ein Logo nur im Inneren der Tasche zu finden.
Dass das 90er Revival sich in die Quiet Luxury einmischt, ist ein Kind der Zeit. Schließlich sehnen sich viele nach mehr Understatement, das in den letzen Saisonen wahrlich zu kurz gekommen ist.
Fotos: Unsplash, Imago-Images
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