Gen Z: Quiet Quitting, Schlaf-Proteste, Klimakleber:innen – Was brodelt da?

24/7 wach, All-In-Verträge und das ewige Gerede „Wenn man nur will, ist alles möglich!“, das viele ins Burnout treibt, haben die letzten Generationen bestimmt. Doch was ist mit der nächsten?

Die Pandemie hat zwar nicht gerade viele positive Seite gehabt, doch einen gibt es, der evident ist: Die Entschleunigung versetzte viele aus dem ständigen Stand-by in den Ruhemodus, der eine Nachdenkpause zuließ. Und damit auch, wie man sein Leben führen möchte.

Das klassische 9-to-5 Modell kam dabei unter Beschuss. Mehr Menschen möchten von zu hause aus arbeiten und dabei auch noch Stunden reduzieren. „Weniger arbeiten, mehr Leben“, ist für Wirtschaftstreibende, die Personal suchen, ein schwieriger Balanceakt, für Unternehmer:innen eine Horrorvision.

Arbeitnehmer:innen geht es aber dabei um alles, schließlich tauschen sie Lebenszeit gegen Geld – neue Wertigkeiten werden hier geprüft, wobei man gerne auch auf Geld verzichtet und Einbußen im persönlichen Budget in Kauf nimmt.

Vieles gerät gerade ins Wanken. Mittendrin steckt eine heranwachsende Generation – die „Gen Z“, also Personen, die zwischen 1995 und 2010 geboren wurden.

Weniger arbeiten, mehr Freunde und Familie? Sacré bleu!

Es mag also einer gewissen Emanzipation gleichkommen, die da in Gang gesetzt wurde. Die Erkenntnis, dass Arbeit – für viele – nicht alles ist, wurde 2022 mit dem Terminus „Quiet Quitting“ gekrönt, der eine Zeit lang in den internationalen Mainstream-Medien auf und ab gespielt wurde.

Wirtschaftstycoone zeigten sich entsetzt (weil sie es vom Privatjet aus nicht sehen konnten?) und Arbeitstrendexpert:innen rieten den „Workplace“ für die Gen Z attraktiver zu machen. Sie sollten sich schließlich mit dem Unternehmen identifizieren, um den viel zitierten „Sinn“ zu finden – und damit mehr leisten zu wollen, also nach 22 Uhr in der Arbeit sitzen. Wer hätte denn gedacht, dass ein Tischfußballtisch im Pausenraum nicht reiche?!

„Wir sind eine Familie!“

toxischer arbeitgeber:innen-spruch nummer 1
– auch von Ex-kika/leiner chef René Benko verwendet

Doch sehen wir uns den Ist-Zustand an: Fortune zitierte gerade eine Gallup-Studie bei der „Quiet Quitting“ einen wirtschaftlichen Schaden von 9 Trilliarden US-Dollar jährlich verursache. Ja, Trilliarden.

Wo die Rechnung nicht aufgeht, ist für viele Arbeitgeber:innen unverständlich: Für viele ist ihr Job ein Job, den sie machen, um ihre Miete, ihr Netflix-Abo zu bezahlen und sich schließlich hin und wieder mit Lieferessen zu belohnen. Am Wochenende möchte man Freund:innen treffen und nicht an einem Pitch doktern, der in Schubladen verschwinden und nur gebraucht wird, damit beim Meeting „intelligente Zahlen“ an die Wand gebeamt werden. Ja, es geht auch um sinn-er-füllendes Arbeiten, das da gefragt wird. Arbeit in einer Firma zu leisten, die sich auch noch an ethische Grundsätze hält und nicht weiter den Planeten verwüstet, ist ebenfalls bei Gen Z gefragt.

Aber bleiben wir noch ein wenig bei der Arbeitszeit.

Eine Kunst-Aktion, die sich als Bewegung in den USA etabliert und sich gegen die Ausbeutung des menschlichn Körpers richtet, ist jene von Tricia Hersey, die „The Nap Ministery“ gründete. Schlafen als Widerstand, als Protest und auch als Performance, um dem hyperkapitalistischen Geist Nordamerikas per Lidschluss den Riegel vorzuschieben.

„We examine the liberating power of naps. We believe rest is a form of resistance and reparations.“

Tricia hersey, künstlerin und initiatorin von ‚the nap ministery‘

Die Gen Z macht sich gerade ordentlich unbeliebt

Als „nicht leistungswillig“ wird die Gen Z schnell von älteren Generationen abgestempelt. Solche, die um 17 Uhr den Stift fallen lassen. Unverständnis pur, höre ich dann immer auf der anderen Seite heraus.

Millennials, die in ihrem ersten unbezahlten Konzern-Praktikum vor 15 Jahren noch des Nächtens vor Angst in die Tasten gehauen haben, weil ihnen der neoliberale Spruch eingetrichtert wurde, dass „jeder und jede ersetzbar ist“, äugen jetzt neidisch auf die Erkenntnis der jüngeren und machen (auch oft) beim Bashing dieser mit.

„… they [Gen Z] also want to be their best selves and kill it in their personal lives, too… It’s not all about climbing the ladder.”

Rachel Feintzeig, Wall Street Journal’s “Work & Life” columnist bei einer podiumsdiskussion in yale, 2023

Die Abwehrhaltung gegenüber dem Duktus der Leistungsgesellschaft verstehen? Das geht für viele nicht. Schließlich wurde suggeriert, dass man selber daran Schuld wäre, wenn man nicht die Erfüllung in seiner Arbeit – seiner Berufung – finden würde und wenn nicht die Lohnerhöhung/Beförderung/HubraumerweiterungbeimDienstauto passiere, hätte man es sich eben nicht fest genug gewünscht. [Einwurf: Dank Rhonda Byrne und ihrem neoliberalen Manifestation-Bestseller, der „The Secret“-Bibel, wissen wir ja wer Schuld hat, wenn was im Leben daneben geht – oder krank wird.]

Dass man, auch wenn man seinen Traumjob gefunden hat, eingestehen muss, dass Arbeit auch nur Arbeit ist und nicht in Slow-Motion mit epischem Soundtrack abläuft, würde helfen eine gesunde Distanz zu schaffen. Dann würde man aber die vielen Prestige-Tokens verpassen, die im Computerspiel des Lebens abgeräumt werden müssen.

Womit wir beim nächsten Thema wären:

Plackern und hackeln – damit sich die Eigentumswohnung ausgeht

Der ultimative Prestige-Token: Die Eigentumswohnung.

Doch was, wenn es kein leistbares Eigenheim gibt und der Rat des Bundeskanzler a.D. (auch „Shorty“ genannt) sich ein solches anzuschaffen, um nicht in die Altersarmutsfalle zu rutschen, bei den meisten, die mal die Bank für ein Kreditgespräch aufgesucht haben, nicht einmal ein müdes Lächeln weckt?

Ein wichtiger Grund dafür: Fassen wir das ganze mit dem schaurigen Wort „Reallohnverlust“ zusammen.

Löhne wurden in den letzten zwei Jahrzehnte im besten Fall inflationär angepasst. Adaptierungen an z.B. die Preissteigerungen am Immobilienmarkt, konnten nicht mithalten. Damit konnte der mittelständisch Verdienende den Eigentumswohnungen allerspätestens 2017 beim Davongaloppieren am Horizont zusehen.

Und die österreichische Mittelschicht, die im EU-Durchschnitt schon nicht gerade gut dasteht, wird durch fehlende Eigenmittel schön langsam – durch Krisen beschleunigt – in den Zerbröselungszustand versetzt.

Noch dazu kommt die nächste auf uns zu: Denn wer sich einen Kredit mit flexiblen Zinsen in der gerade zu Ende gegangenen Nullzinsära nahm, schläft gerade jetzt wahrscheinlich nicht mehr gut.

Eine tickende, gesellschaftliche Zeitbombe sind die vielen Kreditvergaben der letzten Jahre, die mit den Zinserhöhungen als Mittel gegen die Inflation durch die EZB scharf gemacht wurde. Es wird nicht das letzte Mal sein, dass sich die Kreditraten 2023 erhöhen und mehr Eigenheime wieder auf den Markt kommen. Was dann die Preise zwar wieder nach unten senken wird, aber dazu braucht man auch – richtig! Geld.

In dieser Kulisse – mit Klimawandel und den bisher größten Fluchtbewegungen auf globaler Ebene überzuckert – wird die Gen Z erwachsen und erkennt, dass das alles nicht gerade dufte ist. Die älteren haben sich seit Jahrzehnten abgerackert – in vielen Fällen für wenig. Prekariat, Working Poor – Wörter, die man genauso wenig wie „Nagelpilz im Endstadium“ googeln sollte.

Und jetzt schalten viele, die in den 90ern und den 00er Jahren auf die Welt kamen, den Kopf ein.

Das führt zum nächsten Effekt:

„Was ist wenn Wirtschaft ist und keiner geht hin?“

Na gut, das ist jetzt sehr überspitzt formuliert, doch wenn man sich das Gejammer der Wirtschaftsgrößen in ZiB, Tagesschau und Talk-Runden gibt, muss ich stets an das Zitat von John Lennon’s pazifistischen Song „Imagine“ denken.

Natürlich kommt es der Gen Z jetzt entgegen, dass sie sich Jobs besser aussuchen kann. Die Boomer-Generation geht in den Ruhestand und der fehlende Nachwuchs in den Industrienationen führt zu einem unerwünschten Demographiewandel.
Gekoppelt ist dieser mit einer rigiden Einwanderungspolitik, die ein Defizit am Arbeitsmarkt verursacht – Fachkräftemangel olé! (Ein weiteres Gejammer.)

Doch angesichts des überall ertönenden „Wir bekommen ja eh keine Pension, wenn wir mal alt sind“ fragt sich eine junge Generation zurecht, wofür sich eine überbordende Leistungsbereitschaft lohnt, wenn kein adäquates Leben dabei rausspringt? Schließlich kann man in einer kapitalistischen Wirtschaft den Spieß auch mal umdrehen und fragen: Was bieten die mir denn im Tausch für meine Lebenszeit?

Spätestens seit der Pandemie, als junge Menschen sich zwei Jahre nur mit Sicherheitsabstand und Testungen sehen durften, Schulunterricht mit Maske oder vor dem Bildschirm stattfand, haben sich auch hier neue Werte gebildet.

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