Caroline Peters offener Brief an die Stadt Berlin
Schauspielerin Caroline Peters steigt auf die Barrikaden. Auf die Barrikaden, die das Bollwerk der Berliner Kultur- und Kunstszene verteidigen. Grund dahinter sind die geplanten Kürzungen bei den Förderungen der Stadt Berlin.
Denkt man an Berlin, kommt einem natürlich die Kunstszene in den Sinn. Dass sich diese (vor allem bei den horrenden Mietpreisen) mehr schlecht als recht über Wasser halten kann, ist schon seit Jahren so. Jetzt droht ihr noch mehr Ungemach, denn die Einsparungen werden – wenn sie so umgesetzt – drastisch ausfallen.
Aber lassen wir Caroline Peters besser selbst zu Wort kommen.
Sehr geehrte Abgeordnete von Berlin,
Sie stimmen gerade dafür, einen wichtigen Wirtschaftsfaktor der Stadt Berlin abzuschaffen. Sie sagen, es wird nur ein bisschen gespart. Sie sagen, Ein Opernhaus das leer steht und den ganzen Winter weder beheizt, benutzt noch weiter renoviert wird ist ja nicht abgeschafft. Stimmt, es verrottet einfach und schafft sich damit selber ab.
Kunst und Kultur und Club- Szene machen Berlin zu dem was es ist. Eine Stadt mit viel Strahlkraft. Woher soll diese in Zukunft kommen? Wenn Berlin einzig und allein ein Standort für Immobilien ist, die hin und hergeschoben werden, wird damit schnell Schluss sein. Niemand wird mehr hier leben wollen und können in Berlin. Einerseits sind die Immobilienpreise zu hoch, andererseits, keine attraktiven Jobs in der Stadt. Die Preise werden sinken, ohne das neue Leute zuziehen, weil es nichts gibt, was Berlin attraktiv macht: Eltern werden wegziehen, weil ihre Kinder auf keine Schule mehr gehen können. Künstler werden wegziehen, weil es hier keinerlei Arbeitsmöglichkeiten mehr gibt. Architekten ziehen weg, weil nichts mehr gebaut wird. Industrien siedeln sich weiterhin nicht an, weil niemand da ist, der darin arbeiten könnte.
Touristen fahren in Städte wie Paris, Lissabon oder London, weil sie da Museen besuchen und Theater und Musicals ansehen können.
Berlin hat einen entscheidenden Standortfaktor, der es von anderen europäischen Städten unterscheidet und das sind nicht Markengeschäfte am Ku-Damm.
Berlin hat eine UNESCO Weltkulturerbe Orchesterlandschaft. Berlin hat die avancierteste Theaterszene Europas und tourt dieses Aushängeschild von freiem Denken und Möglichkeiten u.a. mit der Schaubühne und der Volksbühne durch die ganze Welt. Thomas Ostermeier ist im Ausland so berühmt, das er im hochnäsigen Paris bei fnac, dem Platten- und DVD- Laden für alle, ein eigenes Regal hat mit Verfilmungen seiner Aufführungen. Schauspieler wie Lars Eidinger und Sandra Hüller werden dort gesehen und besetzt und tragen weiter, was Deutschland außer einer fatalen Kriegsvergangenheit und einer misslungenen Wiedervereinigung zu bieten hat.
All das wird es in Zukunft nicht mehr geben.
Stattdessen werden kaum beheizte Immobilien herumstehen, die man früher als „Theater“ bezeichnet hat, in denen Techniker und Verwalter werkeln, aber kein Künstler und kein Zuschauer sich mehr aufhält.
Die Subventionen für Kunst sind 1945 entstanden. Als die Menschen den kleinen Schritt von Zivilisation in Barbarei gerade mitgemacht hatten. Eine blühende Landschaft von Privattheatern, allein Max Reinhardt besaß 26 davon in Berlin, war von den Nazis wegen nicht linienkonformen Denkens und trotzdem rasendem Erfolg zerstört worden. Subventionen sollten nach diesem Desaster ab 1945 garantieren, das Bürger dieses Landes mit ihren Steuergeldern finanzieren, dass niemand gleichgeschaltet werden darf in Zukunft. Haben Sie das vergessen? Oder gar nicht in der Schule gelernt, weil diese nicht renoviert war, oder gar nicht vorhanden oder von Lehrermangel bestimmt?
Die Industrie, die Berlin als Standort bestimmt – und es ist die einzige Industrie in der Stadt – ist die Kulturbranche. Ein Theater wie die Schaubühne hat 96 Prozent Platzauslastung bei einem überwiegend jungen Publikum. Bei Ticket- Preisen wie in Nachbarländern, ca. 300 Euro pro Ticket wird das nicht mehr so sein. Und die Theater landen da, wo sie sie jetzt schon hin fabulieren: im Schoss einer winzigen Elite, die sich das leisten kann und will. Dafür ist Theater aber nicht da. Theater bringt Menschen unterschiedlichen Alters und sozialen Backgrounds zusammen und lässt diese gemeinsam etwas erleben und diskutieren.
Die vielen zusätzlichen kleinen Bühnen und Ausbildungsstätten braucht eine lebendige Theaterlandschaft um jederzeit neue Formen und Gedanken aufgreifen und weitergeben zu können. Wo nicht experimentiert wird, entsteht nichts Neues. Wenn Thomas Ostermeier in London inszeniert, wird das als große Innovation aufgenommen und gefeiert. Ein Stück, das so hier in Berlin schon über 10 Jahre im Repertoire ist. Wieso ist Ihnen Leistung auf diesem Gebiet GAR nichts wert?
Wenn man Berlin irgendwie wieder auf die Füße helfen will, muss man investieren, nicht sparen. Und zu aller erst in das was die Stadt von anderen unterscheidet: Kultur. Theater, Museen, Oper, Orchester. Es sollten Kooperationen mit privaten Sponsoren von der Politik initiiert werden, statt Einsparungen vorzunehmen, die dann noch verharmlost und verniedlicht werden. Aus angekündigten 10 Prozent werden 13. Und das mit dem Satz „es wurde alles offen kommuniziert“. Die Komische Oper ist „nicht abgeschafft, nur weil sie jetzt weg ist, heißt das ja nicht, das es so bleibt.“ Doch, genau das heißt es .
Ihre Art der Kommunikation ist zynisch und unangebracht oder ist die Vorbereitung darauf, aus Berlin wieder das zu machen, was es ursprünglich einmal war: ein preußischer Truppenübungsplatz ohne jeglichen Appeal. Mit einem Schloss, das Forum genannt werden soll und wo ein einsamer Kai Wegner ab und an Flöte spielt, falls er irgendeine Kulturtechnik beherrscht, die über das Streichen der wichtigsten Ressourcen eines freien Lebens hinausgeht.
Überdenken Sie Ihre Entscheidung.
Planen Sie FÜR Berlin, nicht DAGEGEN.
Mit freundlichen Grüßen,
Caroline Peters
Mehr dazu auch in Caroline Peters entsetzt über Kürzungen bei Berliner Kultur (FAZ)
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