Warum man „Depp v Heard“ von Netflix sehen sollte
3 Folgen. Mehr ist es aus dem Monster-Prozess nicht geworden, welche die milliardenfach gesehene Szenen aus dem Gericht in West Virginia gestreamt wurden und von einer Doku „Depp v Heard“ jetzt aufgearbeitet wurden.
Der Monster-Prozess, den eine pandemiegeplante, globale Mediengesellschaft als Haupt-Entertainment in einer eventfreien Zeit auf Social Media hypte, ist nach dem Mordprozess von O.J. Simpson wohl der bis dato quotenträchtigste.
Doch warum sollte man sich „Depp v Heard“ ansehen? Wir alle kennen die Amber-Memes, YouTuber:innen, die sich in Dauerschleife über jedes gesprochene Wort lustig machten oder jedes Detail in ihren Livestreams zerpflückten.
Wortkreationen wie „Megapint“ wurden abgefeiert und sogar eine unbekannte Kosmetikmarke brachte Tik Tok zum Hyperventilieren, schalteten sie sich doch sogar in die Beweisführung und Depp’s Anwältin, Camille Vasquez, genoss gleich Kultstatus.
„Depp v Heard“: Wenn häusliche Gewalt im Klamauk untergeht
Fasst man die verschiedenen Aussagen, die hier erstmals parallel dargestellt werden zusammen, läuft es einem kalt über den Rücken. Nicht wegen der Musik, welche die Doku-Macher:innen unter dem Schlagwort „epic“ von einem generischen Stock Portal kauften, sondern über die Aussagen, die zwischen den Prozesstagen auf Social Media von User:innen auf der Suche nach Klout zerrissen wurden. Dazu Journalist:innen, die sich nicht neutral verhielten, wie es in „Depp v Heard“ gezeigt wird.
Wurde es zu beispielsweise ernst (Amber Heards‘ Aussagen über Johnny Depps Gewalt) kippte bei vielen in den Studios der Schalter. Dass es sich hier um einen Prozess handelte, der ebensolche zum Gegenstand hatte, war nicht gerne gesehen. Stattdessen schob man es in die Celebrity-Berichterstattung. Leichtes eben, das man den Zuseher:innen als „Entertainment“ verkaufen konnte.
Im Allgemeinen kommt man nicht umhin festzustellen, dass es vielen eigentlich überhaupt nicht um die Wahrheit ging, sondern den Spaß sich gegenseitig im Meme-Generator zu übertreffen.
„Depp v Heard“: Als Johnny die Kameras einschaltete
Für Johnny Depp ging es bei diesem Prozess darum wieder seine lukrativen Filmrollen zu bekommen. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn ihm ein Gericht bezeuge, dass er Opfer von übler Nachrede geworden sei, kann ihn Hollywood wieder engagieren.
Das bedeutet sehr viel Geld. Nicht verwunderlich, dass Johnny Depp im Gegensatz zu Amber Heard Filmkameras im Gerichtssaal haben wollte – und Richterin stimmte zu.
Die Dokumentation „Depp v Heard“ lenkt dann auch noch auf eine bisher nicht näher beleuchteten Umstand ein: Bots. Diese wurden offensichtlich von Fans (oder vielleicht auch seinem Team?) gekauft. Die Popularität des #TeamJohnny Hashtags wurde damit künstlich gepusht.
Johnny Depp und seine entwaffnende Ehrlichkeit
Ja, er sei drogensüchtig. Ja, er nehme Drogen. Das gab Johnny Depp in seiner Zeugenaussage zu. Damit nahm er der Verteidigung den Wind aus den Segeln, die ihm genau dieses Verhaltens bezichtigte. In den meisten Fällen ist es in unserer Gesellschaft doch umgekehrt der Fall. Selten gibt jemand zu, dass er oder sie ein gesellschaftlich nicht akzeptiertes Verhalten, eine Sucht hat.
Für Johnny Depp war es im Prozess einfach dies zuzugeben, schließlich gab es genug Beweise, die ihn im Drogen- und/oder Alkoholrausch zeigten.
Das ist bei vielen Täter:innen der Fall, die (im österreichischen Recht) auch noch eine gewisse Strafminderung genießen, weil sie eben nicht zurechnungsfähig waren.
Ein Problem, oder? Das ist auch hier der Fall. So wie einiges, was ein charmanter Johnny Depp, den viele auf Social Media nurmehr im Piratenkostüm kennen, von sich gab, als „witzig“ interpretiert wurde. Noch kraftvoller war allerdings sein entschuldigender Dackelblick, wenn er „nicht stolz“ darauf war seine Verlobte (in einer SMS an einen Freund) „zerstören“, „verbrennen“ und ihre Leiche … zu wollen. „Oh, er entschuldigt sich dafür. Passt schon„, ist dann der gefühlte O-Ton online gewesen. Bei Amber Heard?
Sie hatte von Anfang an den Nimbus der unsympathischen Ex-Frau über sich schweben. Zwar kann man durchaus feststellen, dass sie ihren Anteil in der ganzen Geschichte hatte, doch so ist es eben. Es gibt keine Schwarz-Weiße Geschichten. Sie sind alle grau.
Das muss man sich im Nachhinein ins Gedächtnis rufen – auch wenn man im Team Johnny Depp war. Dabei hilft „Depp v Heard“.
Fotos: Netflix, imago-images
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